Ein Buch schreiben (lassen) – aber für wen?
- Christian Knoche
- 14. März
- 4 Min. Lesezeit

Will das eigentlich irgendwer lesen?
Mit dieser und vielen anderen Fragen werde ich immer wieder konfrontiert: Sollte das wirklich ins Buch? Wen interessiert das? Kann oder darf ich das noch so sagen? Könnte sich jemand beleidigt fühlen?
Es ist richtig und wichtig, sich Gedanken darüber zu machen, wen man mit seinem Buch erreichen will – und warum. Schwierig wird es nur, wenn sie uns über Gebühr belasten oder völlig blockieren. Denn gar nicht mal selten mündet die Fragerei in eine Schreibblockade – und die kann man auch mit Ghostwriter haben. Das passiert besonders dann, wenn man es jedem Recht machen will. Dann lautet die Frage nämlich: Wie schaffe ich es, dass jeder mein Buch mag? Spätestens hier dürfte klar sein, dass sowas nicht funktionieren kann.
Zum Glück gibt es aber einen Ausweg. Die Antwort auf so gut wie alle Fragen und Zweifel ist viel einfacher als gedacht - egal ob man sein Buch selber schreibt oder lieber schreiben lassen möchte.
Welche Inhalte soll mein Buch haben?
Nicht wenige Bücher starten mit einer Widmung. Antoine de Saint-Exupéry lässt seinen kleinen Prinzen so beginnen: „Für Léon Werth. Ich bitte die Kinder um Verzeihung, dass ich dieses Buch einem Erwachsenen widme.“
J.K. Rowling schrieb den ersten Harry-Potter-Band für ihre ganze Familie, und Tolkien stellte dem Hobbit voran: “Für alle, die Geschichten lieben”.
Besonders mit dem letzten Ansatz gibt es allerdings ein Problem, denn: Alle, die Geschichten lieben – wer soll das sein? Und welche Art von Geschichten? Fantasy, Krimi, Romane, Liebesgeschichten…? Mögen sie es lieber spannend, brutal, seicht, romantisch? Wir wissen ja, dass Tolkien vor allem für seine Kinder schrieb. Die Erweiterung auf alle kam erst später dazu. Und trotzdem kann man mit Fug und Recht davon ausgehen, dass seine Bücher nicht jedem gefallen – auch nicht allen, die Geschichten lieben.
Eine Weisheit für Autoren lautet deshalb: Never write for anybody. Always write for somebody.
Ob es die eigenen Kinder sind, ein guter Freund, ein alter Feind, eine Geliebte, ein großer Kunde – es ist nicht wichtig, wenn man eine Person möglichst genau vor Augen hat. Sobald das der Fall ist, klären sich die Fragen wie von selbst.
Was tue ich, wenn meine Zielgruppe unklar ist?
Auch bei Autobiographien geht das meist relativ einfach. Etwas schwieriger wird es schon in der Belletristik, und ein längerer Prozess ist oft bei Sachbüchern nötig.
Die Sachbuchautoren tendieren dazu, sich viel mehr Gedanken zu machen als bei Fantasy oder Romanen. Kein Wunder, denn Sachbücher werden häufig geschrieben, um die eigene Autorität in einem bestimmten Bereich zu unterstreichen, neue Kunden zu gewinnen und sich am Markt zu positionieren. Gerade in diesem Bereich wird dann auch ein Ghostwriter interessant. Trotzdem schwingt oft die Angst mit, irgendjemand könnte die Kernaussage falsch oder gar nicht verstehen, etwas in den falschen Hals bekommen, sich eine negative Meinung bilden, sich vor den Kopf gestoßen fühlen und so weiter. Auf der anderen Seite fällt es schwer, eine bestimmte Person zu identifizieren, für die man schreiben will. Hier hilft ein viel strapazierter, aber sehr wirksamer Trick aus dem Marketing: Die Persona.
Die Persona hilft - beim Buch Schreiben und Schreiben lassen
Personas werden oft benutzt, wenn man Produkte für eine unklare Zielgruppe entwirft. Man kombiniert hier die Phantasie mit der eigenen Expertise aus seinem Fachgebiet – und denkt sich einfach jemanden aus. Dabei ist es hilfreich, möglichst viele Kriterien genau zu beleuchten: Alter, Geschlecht, Hautfarbe, Größe, Kleidung und Hobbys sind nur der Anfang. Familienstand, Wohnort und Auto lassen uns schon weiter blicken. Interessant wird es aber bei ganz spezifischen Themen wie Lieblingsrestaurant, Lieblingsessen, Wohnzimmereinrichtung, Farbe der Schuhe und anderen Details. Was macht meine Persona vor dem Schlafengehen, was am Wochenende? Wohin fährt sie in den Urlaub, was arbeiten ihre Freunde, trinkt sie lieber Rotwein oder Bier?
Je spezifischer ich mir jemanden vorstelle, desto enger komme ich in Kontakt mit meinem fiktiven Leser. Dieser Prozess kann eine Stunde in Anspruch nehmen oder den größeren Teil eines Tages-Workshops – am Ende aber stelle ich immer wieder fest, dass sich die Arbeit gelohnt hat. Das ständige Hinterfragen hört auf und die Blockaden, Zweifel und Ängste verschwinden.
Wenn ich ein Sachbuch für obere Führungskräfte schreibe, dann weiß ich, dass die Bedenken irgendeines Abteilungsleiters nicht das sind, was meine Zielgruppe interessiert. Ich weiß, dass ich kurz und prägnant formulieren muss, weil meine Persona das Buch auf einem Flug Frankfurt-Madrid durchlesen will. Mir ist völlig klar, dass ich keine betriebswirtschaftlichen Grundlagen auswalzen muss, weil mein Leser das genervt überblättern würde.
Schreibe ich für eine Yoga-Lehrerin, muss ich mir mehr Zeit nehmen, eine liebevolle Sprache benutzen, andere Wörter verwenden. Ich muss das Buch so aufbauen, dass es eben nicht im Flugzeug gelesen wird, sondern mit einer guten Tasse Tee, gemütlich eingerollt auf der Couch.
Trifft die Persona die Realität?
Natürlich gibt es den Menschen genau so, wie man ihn sich in der Persona ausmalt, wahrscheinlich nicht. Am Ende spielt das aber keine Rolle, denn es geht nicht darum, möglichst exakt einen realen Menschen zu beschreiben, sondern in der eigenen Vorstellung exakt zu sein. Man muss jemanden entstehen lassen, für den man sich die ganze Arbeit eines Buches macht.
Während eines Workshops arbeitete ich mit einer Autorin intensiv an der Entwicklung einer Persona. Am Anfang war da viel Skepsis, aber irgendwann wurde sie ruhig, hielt ihre Kaffeetasse mit beiden Händen und schaute auf unser Flipchart-Blatt (wir hatten sogar ein Passbild gezeichnet). Dann sagte sie, halb verwundert: “Scheiße – ich mag diesen Typen!”
Damit ist das Ziel erreicht, denn wenige Stunden vorher war es unmöglich, Themen zu fokussieren, eine Struktur aufzubauen oder bestimmte Inhalte wegzulassen. Mit dem klaren Bild eines Menschen im Kopf, fiktiv oder nicht, haben sich alle diese Konflikte aufgelöst. Der Prozess begann und das Buch wurde ein voller Erfolg.
Fazit
Never write for anybody - always write for somebody. Wer dieser Somebody ist, spielt keine Rolle – es muss, wie wir gelernt haben, noch nicht mal eine reale Person sein. Wichtig ist nur, dass man beim Schreiben ganz nah bei seiner einen Person ist. Damit klären sich Fragen automatisch, lösen sich Zweifel auf, passt sich die Sprache an und findet sich Struktur.
Bei all dem hilft ein Volkshochschul-Kurs in kreativem Schreiben genauso wie ein erfahrener Ghostwriter – je nach dem, wen und was man mit seinem Buch erreichen will.
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